Viele Einkaufsabteilungen kennen das Muster: Bedarfsmeldungen kommen im Tagesgeschäft wellenartig, Infosätze sind nicht überall aktuell, und die eigentliche Verhandlung verliert sich in E-Mail-Schleifen. Genau dort setzt unser Ansatz an. Wir kombinieren IBM watsonx Orchestrate (für Abläufe, Trigger und Anbindungen) mit IBM watsonx.ai (für das Formulieren, Verstehen und Strukturieren von Texten). Das Ergebnis ist ein Einkaufs-Agent, der E-Mails schreibt, Antworten sauber verarbeitet und Bestellungen vorbereitet – innerhalb klar definierter Leitplanken.

Smarte Beschaffung mit Agentic AI

Was der Einkaufs-Agent übernimmt
Zwei Startpunkte, null Leerlauf
- A) Bedarf aus Disposition (Ticket oder SAP-BANF): Der Agent übernimmt automatisch.
- B) „Stale-Parts“-Lauf: Teile ohne aktuellen Infosatz oder mit seltenen Abrufen werden proaktiv angesprochen – ganz ohne externen Anstoß.
Kontext aufbauen statt raten
Vor der ersten Mail zieht der Agent die relevanten Daten zusammen: Materialstamm, Orderbuch, vorhandene/fehlende Infosätze, historische Preise und die richtigen Ansprechpartner:innen auf Lieferantenseite. So entstehen keine „blinden“ Anfragen.
Regeln geben Orientierung
Margenband, Preisgrenzen, Toleranzen und bevorzugte Lieferanten sorgen dafür, dass die Entscheidung „Direkt bestellen“ vs. „verhandeln“ reproduzierbar bleibt. Der Agent hält sich daran – Punkt.
Verhandeln per E-Mail – sachlich, höflich, zielorientiert
E-Mails klingen wie von Menschen geschrieben, begründen Gegenangebote (z. B. mit Energie-/Rohstofftrends) und setzen klare Ankerpreise und Fristen. Die Kommunikation läuft ausschließlich per E-Mail.
Antworten verstehen & strukturiert verarbeiten
Eingehende Nachrichten und Auftragsbestätigungen werden positionsgenau gelesen. Preise und Termine werden geprüft, Abweichungen erkennt der Agent selbstständig und schlägt die passende Aktion vor: akzeptieren, nachverhandeln, oder freigeben.
Bestellung abschließen, Informationen aktuell halten
Kommt eine Einigung zustande, werden Infosätze (Preis/Gültigkeit) aktualisiert, die Bestellung/Freigabe angestoßen und die Disposition informiert. Der Normalfall läuft „no-touch“ durch; nur Ausnahmen brauchen Menschen.

Praxis – ein realistischer Einblick aus einem Projekt
Ein mittelständischer Maschinenbauer stand vor drei konkreten Hürden:
- Zeitfresser E-Mail – viel Nachfassen, wenig Standardisierung.
- Veraltete Infosätze – Preisabweichungen fielen oft zu spät auf.
- Unverhandelte „Stale-Parts“ – kleine Positionen blieben liegen, obwohl dort Potenzial steckte.
Wir haben mit einem überschaubaren Piloten begonnen, der trotzdem belastbare Erkenntnisse bringt:
- Umfang: 3 Kernlieferanten, rund 120 Materialien (Ersatz- und Serienteile gemischt)
- Sprachen: Deutsch/Englisch
- Regelwerk: Zielpreise pro Materialgruppe, Toleranzen, Mindestabnahmemengen (MOQ), bevorzugte Lieferanten
- Schnittstellen: E-Mail, SAP für Infosatzpflege/Bestellung
Phase 1 – Stabilisieren
Der Agent verschickt standardisierte, kurze Anfragen mit klarer Erwartungshaltung (Preis, Liefertermin, Frist). Erste Antworten kommen innerhalb weniger Stunden. In zwei Fällen liegt der Angebotspreis knapp über dem Zielwert. Der Agent legt jeweils ein sachlich begründetes Gegenangebot nach (Menge, Planbarkeit, Trend) und setzt eine neue Frist. Gleichzeitig wird eine AB mit abweichendem Teiltermin erkannt – der Fall wird als Ausnahme gekennzeichnet, damit das Team einmalig prüft, ob eine Teillieferung sinnvoll ist.
Phase 2 – Belastbarkeit zeigen
Der Agent arbeitet zuverlässig Fristen ab: erinnert säumige Lieferanten, bestätigt günstige Angebote schnell und dokumentiert alle Schritte. Ein Lieferant schlägt eine Preisstaffel vor, die zwar attraktiv ist, aber eine höhere MOQ bedingt. Der Agent spielt diese Info zurück, lässt – gemäß Regel – die MOQ-Ausnahme intern freigeben und bestätigt anschließend automatisch das passende Staffel-Level. Parallel werden die Infosätze aktualisiert; Rückfragen aus der Disposition nehmen spürbar ab.
Phase 3 – Potenziale heben
Im „Stale-Parts“-Lauf identifiziert der Agent mehrere Artikel ohne aktuellen Infosatz und stößt eigenständig Verhandlungen an. Zwei Lieferanten reagieren mit knappen, aber akzeptablen Konditionen; ein dritter bleibt still. Der Agent mahnt freundlich, aber verbindlich – und bekommt nach Ablauf der Frist eine Antwort mit einem Gegenvorschlag in der Zielbandbreite. Ergebnis: drei schnelle Abschlüsse, die vorher schlicht nicht auf der Prioritätenliste standen. Nebenbei fällt auf, dass unterschiedliche Währungen verwendet wurden; der Agent weist auf die Umrechnung hin und verhindert so eine falsche Bewertung des „scheinbar günstigen“ Angebots.
Was hier auffällt
Der Agent ist kein „Zauberer“, sondern ein zuverlässiger Umsetzer: Er hält Fristen, formuliert konsistent, vergisst nichts und schafft Struktur. Genau diese Konsequenz führt dazu, dass Verhandlungen schneller, sauberer und leiser ablaufen – ohne unnötige Schleifen.
Was bringt das konkret?
1) Einsparungen, die sich addieren
- Bei aktiv verhandelten Positionen lagen die finalen Preise regelmäßig unter den Erstangeboten.
- Besonders bei kleinen bis mittleren Einkaufsvolumina – dort, wo oft „aus Zeitgründen“ nicht nachverhandelt wird – entstehen solide, wiederkehrende Effekte.
- Wichtig: Es geht nicht um spektakuläre Einzelfälle, sondern um viele kleine, konsistente Verbesserungen, die am Monatsende zählen.
2) Kürzere Durchlaufzeiten
- Anfragen gehen in einheitlicher Qualität raus und kommen in strukturierter Form wieder rein.
- Fristen werden eingehalten, Nachfass-Mails passieren automatisch, Entscheidungen („bestellen“ vs. „verhandeln“) stehen schneller fest.
- Das entlastet die Disposition, weil die Bestellung nicht mehr auf Rückmeldungen „vergessen“ wird.
3) Höherer Automatisierungsgrad – ohne Kontrollverlust
- Der No-Touch-Standard setzt Kräfte frei: Das Team kümmert sich um Ausnahmen, nicht um Routine.
- Durch die Leitplanken bleibt die Entscheidung nachvollziehbar: Warum wurde verhandelt? Welche Grenze galt? Wann wurde akzeptiert?
4) Bessere Daten, weniger Überraschungen
- Infosätze werden aktuell gehalten; künftige Anfragen starten mit realistischen Zielpreisen.
- Abweichungen in ABs (Preis, Termin, Staffel, Währung) werden früh erkannt und sauber adressiert.
5) Lieferantenkommunikation auf Augenhöhe
- E-Mails sind kurz, freundlich und klar – kein „Härte-Ton“, sondern Transparenz und Berechenbarkeit.
- Das beschleunigt Einigungen, weil weniger Interpretationsspielraum bleibt.
Ziele, die wir im genannten Kundenprojekt erreicht haben
- Mehr Abschlüsse unter Zielpreis bei verhandelten Positionen, insbesondere in den „Stale-Parts“.
- Deutlich reduzierte Durchlaufzeit vom Bedarf bis zur Bestellauslösung durch weniger E-Mail-Runden und konsequentes Nachfassen.
- Stabile No-Touch-Quote im Standardprozess; Ausnahmen werden gezielt und zügig entschieden.
- Weniger Rückfragen aus der Disposition, weil Infosätze zeitnah gepflegt sind und Bestellvorschläge auf aktuellen Konditionen basieren.
- Höhere Transparenz in der Entscheidungskette (wer, wann, warum) – hilfreich für interne Abstimmungen und Audits.
Warum das nicht „zu menschlich“ sein muss – und trotzdem gut funktioniert
Der Einkaufs-Agent übernimmt vor allem das, was in jedem Team gleich gedacht wird, aber selten gleich gemacht: klar anfragen, fair gegenargumentieren, sauber dokumentieren. Keine Spielereien, keine Übertreibungen. Er ist damit kein Fremdkörper, sondern ein verlässlicher Taktgeber. Wer E-Mail-Verhandlungen als Handwerk versteht, bekommt mit watsonx Orchestrate & watsonx.ai genau das passende Werkzeug – konsequent, höflich, wirksam.
Fazit
Einkaufserfolg entsteht nicht im Ausnahmefall, sondern in der Summe vieler wiederkehrender Situationen. Ein Einkaufs-Agent, der Anfragen strukturiert, Verhandlungen sauber führt und Ergebnisse lückenlos festhält, verschiebt die Basislinie nach oben – Tag für Tag, Mail für Mail. IBM watsonx Orchestrate und watsonx.ai liefern dafür die Bausteine; die Regeln kommen von Ihnen. Der Effekt ist spürbar: mehr Abschlüsse im Zielkorridor, weniger Schleifen, mehr Ruhe im Team. Genau darum geht es.
Über den Autor: Marcel Ament
Marcel Ament ist ein Senior ECM Consultant bei der ATVANTAGE mit über zwölf Jahren Erfahrung in der IT-Branche. In den letzten sechs Jahren hat er sich auf den Bereich Enterprise Content Management spezialisiert und tritt dabei in verschiedene Rollen wie beispielsweise Beratung, Entwicklung oder Projektleitung auf. Die Kombination von tiefgehendem technischem Wissen mit strategischer Beratungskompetenz machen ihn zu einem geschätzten Berater. Sein Motto: “Mit der richtigen Vision ist nichts unerreichbar“.

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